Beim Thema Garten ist es wie bei allen Wissenschaften: Forschung und Entwicklung bringen uns weiter. Entdecken Sie hier unser Gartenlabor, in dem wir unsere persönlichen Forschungsprojekte gerne mit Ihnen teilen.
diplomarbeit: gestalten mit pflanzen
Herzlich willkommen!
Ich bin Catia.
Gerne gebe ich euch einen Einblick in meine Diplomarbeit. Mit dem Beginn der Weiterbildung «Masterclass Gestalten mit Pflanzen» hat für mich eine neues Kapitel in der Weiterbildungswelt angefangen. Begleitet durch Maja Tobler (Hauptdozentin, MC23) und Beat Graf (Hauptdozent und persönlicher Betreuer, MC23) darf ich mir in monatlichen Workshops und Online-Lektionen während zweier Jahren ein grosses Wissen für meine Zukunft aneignen. Als ausgebildete Landschaftsarchitektin befasse ich mich tagtäglich mit Pflanzen. In dieser Masterclass möchte und kann ich meine Pflanzenkenntnis und -verwendung vertiefen.
Ziel der Diplomarbeit
Die Diplomarbeit ist eine Projektarbeit, die über die ganze Dauer des Kurses eigenständig durchgeführt wird. Die Komplexität und die Grösse der sich selbst gestellten Aufgabe wurde vorgängig durch die Studierenden definiert. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der praktischen Umsetzung. Analytische Arbeiten auf der Basis einer Recherche sind nicht erwünscht.
Aufgabenstellung
Das eingereichte Thema muss in engem Zusammenhang mit der Verwendung und Gestaltung von Pflanzen stehen. Die Aufgabenstellung gibt eine Planung und praktische Umsetzung vor. Zur praktischen Arbeit wird ein Bericht verlangt. Die Form dieses Begleitwerkes ist den Studierenden offen gelassen. Es kann dabei die schriftliche Darstellung in herkömmlicher Form oder auch digitale Formate gewählt werden. Der Umfang wird dabei nicht vorgegeben. Die Diplomarbeit wird anhand von verbindlich definierten Bewertungskriterien beurteilt.
Koexistenz zwischen Pflanzen einer alpinen Pflanzengesellschaft mit Pflanzen aus milderen Lagen – wenn Kultur und Natur aufeinanderprallen
Anhand eines Praxisbeispieles im rauen alpinen Hochtal des Avers, im Val Madris
Nebst der Menge an einheimischer Flora erhoffe ich mir für das Gehöft eine koexistierende Bepflanzung zwischen alpinen Pflanzen und Kulturpflanzen ausfindig machen zu können, die das Erscheinungsbild in Hausnähe langfristig aufwertet. Durch die Bildung neuer Artenkombinationen aus standortentsprechenden Alpenpflanzen und Pflanzen aus milderen Lagen soll sich eine geschlossene, funktionierende Pflanzdecke ergeben. Dabei werde ich untersuchen, welche Arten neben- oder miteinander korrelieren und welche einander verdrängen werden. Ein harmonisches Bild aus der alpinen Flora und sogenannten Pflanzen mit Gartenwert soll zum Anziehungspunkt auf dem Hof werden. Ich möchte die Pflanzenwahl so treffen, dass Pflanzen, die es durch ihre Extraordinarität in unsere Gärten geschafft haben (Eingeführte, Mutationen von standortgerechten Arten oder züchterisch Veränderte) vertretbar integriert werden können.
Da der eingezäunte Blumengarten für mich momentan kein möglicher Standort für meine Rabatte sein wird, möchte ich einen passenden Bereich auf dem Hof finden, der einen Mehrwert für die Eigentümer, Feriengäste oder Mieter der Einliegerwohnung ergibt.
Als Bearbeitungsperimeter mitten in der Natur wird nebst den Wechselbeziehungen unter den Pflanzen auch das Zusammenspiel mit der Fauna eine Rolle in meiner Arbeit spielen.
Abbildung: GeoGR AG, AV grau, im Indesign bearbeitet | Quelle: www.geogr.mapplus.ch
Das ehemalige Gehöft «Underem Ramsa» befindet sich in einem Seitental des Avers, im Val Madris. Mitten in den Alpen gelegen, wird das Hochtal durch einzelne Weiler, beweidete Flächen, Alpen und viel rauhe Wildnis geprägt. Das Tal hat ein von vielen Wandertouristen sehr geschätztes Landschaftsbild. Das 12-Kilometer lange, historisch geprägte Tal gehört in geografischer Hinsicht teils zum italienisch sprachigen Bergell, teils der Gemeinde Avers an. Der europäische Norden trifft auf den mediterranen Süden. Der mäandrierende «Madrischerriin» fasst den kleinen Weiler auf drei Seiten (Norden, Süden und Westen) ein. Wir befinden uns im Hof dieser kleine Siedlung auf 1747 m ü. M.
Auf Grund der ausgeprägten Lawinensituation entstanden in vielen Hochtälern der Alpen sognannte Streubauweisen. Eine davon ist die Hofsiedlung «Underem Ramsa». Diese Gruppensiedlung besteht aus zwei Wohnbauten, eines davon ein Doppelwohnhaus aus dem 16. Jahrhundert, und mehreren Ställen. Der Hof befindet sich als einzige Siedlung auf der rechten Talseite und ist somit nur über einen Holzsteg erschlossen. Das äussere nördlichere Haus trägt die Inschrift «Heimat» und wird als Einfamilienhaus noch ganzjährig bewohnt. Das gemauerte Doppelwohnhaus wurde in den achziger Jahren unter Mitwirkung der Denkmalpflege restauriert. 1986 zerstörte eine Lawine die alten, nördlichen beiden Ställe. Daraufhin wurde durch die Gemeinde Avers der mächtige Lawinenablenkdamm errichtet.
Abbildung: 1 GeoGR AG, AV grau, 2 Luftbild | Quelle: www.geogr.mapplus.ch
Foto: Catia Erhard
Durch die genaue Nord-Süd-Ausrichtung des Tales hat der Nordwind und der Föhn freien Zutritt und macht das Klima rauher als in den umliegenden Tälern. Oft braust ab den Mittagsstunden ein starker Wind durchs Tal. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge beträgt zirka 1400 mm pro Jahr. Am meisten Niederschlag fällt im Herbst und im Winter. Der lange Winter geht von Oktober bis Ende April und ist geprägt durch eine kurze tägliche Sonnenscheindauer.
Abbildung: Übersicht Mittlerer jährlicher Niederschlag in der Schweiz 1981–2010, im Indesign bearbeitet | Quelle: www.vogelwarte.ch
Gemäss der Geologischen Karte der Schweiz aus dem Buch Geologie der Schweiz von Christian Gnägi und Toni P. Labhart gehört das Avers zu der Penninischen Decke, Sediment respektive Kristallin. Das Val Madris selbst kann teils der Suretta-Decke, teils der Avers-Decke zugeteilt werden.
Das Penninikum wird auch Farbtupfer der Alpgesteine genannt. Hier kommen grüngetönte Ophiolithe und kristalline Gesteine, wie Gneise vor. Die Suretta-Decke besteht aus Gneis. Die Averser-Decke besteht aus Bündnerschiefer, die früh in grossen Mengen abgelagert wurden. Es ist ein weicher Kalk- und Tonschiefer. Später entstanden auch Gebiete mit Flysch-Ablagerungen.
Das Buch die Lebensräume der Schweiz nach Delarze und Gonseth charakterisiert die wichtigsten in der Schweiz vorhandenen Lebensraumtypen. Die darin enthaltenen Lebensraumtypen werden in neun Lebensraumgruppen klassifiziert. Jeder einzelne Lebensraumtyp wird gemäss folgender Rubriken beschrieben: Aussehen und Ökologie, Beziehung zum Mensch, Ansprache und Abgrenzung, Pflanzensoziologie, Kennarten, Biologische Werte, Ökologische Ansprüche, Zustand der Schweiz. Nachfolgend werden alle Typen aufgelistet, bei denen das Madrisertal in der Karte der aktuellen Verbreitung dunkelgrau oder sogar schwarz gekennzeichnet und somit vorzufinden ist.
1 Gewässer
1.2.3 Untere Forellenregion (Scapanion undulatae)
1.2.4 Obere Forellenregion (Dermatocarpion rivulorum)
1.3.2 Kalkreicher Quellflur (Cratoneurion)
2 Ufer und Feuchtgebiete
2.2.2 Kalkarmes Kleinseggenried (Caricion fuscae)
2.2.5 Schwemmufervegetation alpiner Wildbäche (Caricion bicolori-atrofuscae)
3 Gletscher, Fels, Schutt und Geröll
3.3.1.4 Feinerdereiche Kalkschuttflur (Petasition paradoxi)
3.4.1.1 Kalkfels ohne Gefässpflanzen
3.4.2.1 Silikatfels ohne Gefässpflanzen
4 Grünland
4.1.2 Kalkfels-Pionierflur des Gebirges (Drabo-Seslerion)
4.3.1 Blaugrashalde (Seslerion)
4.3.5 Borstgrasrasen (Nardion)
4.5.4 Bergfettweide (Poion alpinae)
5 Krautsäume, Hochstaudenfluren und Gebüsche
5.2.4 Hochstaudenflur des Gebirges (Adenostylion)
5.3.9 Grünerlengebüsch (Alnenion viridis)
5.4.3 Subapline Kalkheide (Ericion)
5.4.4 Trockene subalpine Zwergstrauchheide (Juniperion nanae)
5.4.5 Mesophile subalpine Zwergstrauchheide (Rhododendro-Vaccinion)
6 Wälder
6.6.3 Lärchen-Arvenwald (Larici-Pinetum cembrae)
7 Pioniervegetation gestörter Plätze
7.1.3 Subalpin-alpine Trittflur (Poion supinae)
7.1.7 Alpine Lägerflur (Rumicion alpini)
8 Pflanzungen, Äcker und Kulturen
keine
9 Bauten und Anlagen (ohne Vegetation)
keine
Schalensteine
Im Madris gibt es zahlreiche sogenannte Schalensteine. Schalensteine sind grosse Findling, die Bearbeitungsspuren aufweisen. Aus den Steinen wurden mittels einem anderen Stein halbschalenförmige Vertiefungen ausgerieben. Die Anordnung mehrerer bearbeiteter Stein ergeben eine Komposition. Die wohl eindrücklichste Schalenstein-Komposition liegt in der Cröteralp, hoch oben auf der rechten Talseite. Ein Fund im Finailtal im Südtirol erwies einen klaren Zusammenhang zwischen Schalensteinen und Opferstätten. Es handelt sich dabei also oft um eine steinzeitliche Kultplätze.
Steintreppen
Steile Wegabschnitte zwischen Felspartien wurden oft durch steinerne Treppen gesichert und angenehmer begehbar gemacht. Diese Steintreppen findet man über die Landesgrenze hinaus auch auf der italienischen Flanke und sind auf den alten Säumerpfaden immer wieder anzutreffen.
Typische Bauerngärten sind in ihrer Buntheit und Vielfalt kaum zu übertreffen. Jeder dieser Gärten war oder ist mit einem Zaun eingerahmt. Dieser wirkt aber nicht abweisend, sondern eher einladend. Die einzelnen Sorten werden in Blumengärten nicht in grossen Gruppen zusammengepflanzt. Eine Vielfalt an Formen und Farben prägt die bäuerlichen Gärten. Gemäss dem Buch xy werden folgende Pflanzen aufgezählt:
– Rittersporn (blau als sehr erwünschte Kontrastfarbe zu den sonst oft Rot-, Gelb- und Orangetönen), Traubenhyazinthen, Klatschmohn, Schwertlilien, Lilien, Türkenbund, Kohl, Salbei, Kürbis, Fenchel
Exkurs Klostergärten
Ein Exkurs in die Klostergärten zeigt deren Vielfalt an kultivierten Heil-, Nutz- und Zierpflanzen. Sie sind in Klosteranlagen oft getrennt von einander. Die Abtrennung von Gemüse- und Gewürzpflanzen ist allerdings nicht streng. Gemäss dem Buch xy werden folgende Pflanzen aufgezählt:
– Lilien, Kohl, Mangold, Fenchel, Iris, Rhabarber
Aus den beiden ersten Bänden «Bauernhäuser des Kantons Graubünden» von Christoph Simonett lassen sich anhand von Fotos diverse Rückschlüssen zu den Gärten im Kanton ziehen. Ansonsten ist dieser Themenbereich in keinem mir bekannten Buch erläutert. Die Gärten sind fast immer eingefriedet. In den Südtälern waren sie oft mit niedrigen Natursteinmauern eingepfercht, wo hingegen in den übrigen Teilen von Graubünden Holzzäune dafür verwendet wurden. Dabei kann die Lattung des Holzes horizontal oder vertikal angeordnet werden. Die eingefriedeten Gärten wurden teils direkt ans Haus angegliedert, teils aber auch um eine Wegbreite vom Haus abgerückt. Gemäss den folgenden zwei Beispielen, die die obengenannte Platzierung des Gartens beim Haus aufzeigen, kann ebenfalls erkannt werden, dass die Ausrichtung zum Giebel auf die eine oder andere Art ausgerichtet werden kann. Was sich bei einer Fahrt durchs Avers aber deutlich zeigt, ist, dass die Gärten zum grossen Teil nach Süden ausgerichtet sind. Ob parallel zu langen oder zur kurzen Seite der Hausfassade, es lassen sich beiden Varianten auffinden. Hinzukommen die versetzt angelegten Gärten.
Abbildung: aus Buch Stoffel, Jürg: Madris; Ein Bündner Hochtal am Alpenhauptkamm, Auflage: 500, Verein zur Erhaltung historische, Stätten im Madris (VEM), Druckerei Krebs AG, Basel, September 2021, S. xy, abfotografiert
Bepflanzungskonzept
Das Bepflanzungskonzept setzt sich aus zwei Teilbereichen zusammen, die ineinander übergehen. Aussen, entlang des Zaunes gehören die Pflanzen der alpinen Pflanzengesellschaft «Hochstaudenflur» an. Es sind ausschliesslich einheimische Arten, die symbolisch eine Barriere oder einen Übergang zur Natur darstellen. Im vorderen Bereich wandeln sich die verwendeten Pflanzen zu prachtvollen, farblich intensiven Hochstauden um. Sie sind üppig, formenreich, hoch, farbenfroh und bilden das belebende Bild eines Bauerngartens nach. Ein dritter etwas kleinerer Bereich wird durch seine aussergewöhnlichen Voraussetzungen als Imitation der Felsspaltenstandorte angesehen. Zwischen den Andeerer Granitplatten, die als Natursteinmauer fungiert, werden einzelne Pflanzen aus den Pflanzengesellschaften der Steinschutt- und Geröllfluren, speziell der alpinen Kalkschieferflur (3.3.1.3) oder der kleinen Felsspalten, Halbhöhlen (3.5.1) verwendet.
Anordnung
Die Pflanzung kann der Pflanzmethode «Mosaikpflanzung» zugeordnet werden. Die Pflanzen werden in etwas grösseren und gleich grossen Gruppen verteilt und wiederholt. Einzelne grössere Stauden, wie die Angelica archangelica ‘Solveig‘ werden als Skulpturale Leitstauden einzeln platziert. Die Pflanzen sind dem natürlichen Vorbild entsprechend eher hoch gewählt und die klassischen Bodendecker gibt es so nicht. Es entsteht eine Harmonie in der Höhengliederung. Diese natürliche Muster orientiert sich an Staudenpopulationen der Gewässerränder oder eben an den Hochstaudenfluren. Untenstehend zeigen Referenzbilder dieses Erscheinungsbild von üppigen Staudenrabatten. Die Bepflanzung soll allerdings etwas strukturierter, geordneter und weniger wild auftreten. Inspiriert von den typischen baulichen Elementen im Tal, den Steintreppen, ist die Rabatte durch eine Steinplattenmauer eingefasst. Sie ist um 20 cm erhöht und der hinterfüllte Humus bombiert.
Farbidee
Die Kombination verschiedener Arten erzeugt durch ähnliche oder kontrastierende Formen und Farben lebendige Effekte. Anlehnend an die Typologie der Bauerngärten wird der Garten im Madris zu einer farbenfrohen Explosion.
Pflanzenauswahl
Gemäss dem Buch xy, hat das Avers viel Niederschlag und sie hätten nie mit Wasserknappheit zu kämpfen gehabt. Niederschlagsübersichten zeigen ebenfalls, dass der mittlere jährliche Niederschlag bei ca. 1500 mm liegt. Der Jahresniederschlag liegt somit viel höher als wir hier in der Umgebung Chur haben. Die Luftfeuchtigkeit ist ebenfalls recht hoch. Ein grosser Teil der Pflanzen, die ich ausgesucht habe, gehören also dem Lebensbereich Gehölzrand an und bevorzugen einen frischen Boden. Ein weitere Bedingung ist mindestens eine Winterhärte von Z5 (–28,8° C bis –23,4° C) oder Pflanzen die noch tiefere Temperaturen ertragen.
Natürliche Dynamik
Das zu Beginn definierte Muster darf sich durch das Ausdehnen dominanter und durch das Zurückziehen schwächerer Pflanzenarten auch in seiner Struktur ändern.
Pflanzliste
Unter folgendem Link stelle ich dir gerne meine Pflanzliste zur Ansicht zur Verfügung.
PDF-Download «Pflanzliste Diplomarbeit Catia Erhard»