Der Gartenkultur-Blog

Olivier Zuber engagiert sich seit vielen Jahren leidenschaftlich für die Gartenkultur. In seinem Blog greift er Themen rund um den Garten auf und will damit das Bewusstsein der Menschen für das wertvolle Kulturgut schärfen.

Die Säge sitzt zu locker

19. Dezember 2013

Hinter den Gartenzäunen wird geschnitten, geschnipselt und gesägt was das Zeug hält. Baumschere und Säge haben während der Winterzeit, wenn Sträucher und Bäume ruhen, ihren Grosseinsatz. Im blattlosen Zustand offenbaren die Baumgestalten ihr Innerstes und zeigen deutlich, dass jeder Pflanze ihr ureigener «Bauplan» zu Grunde liegt. Während die Linde von Natur aus eine ovale bis runde Krone bildet, zeigt sich die Birke schmal aufrecht und mit hängenden Zweigen. Erst wer sich die Zeit nimmt, einen Baum oder Strauch mit seinem charakteristischen Wuchs genau zu studieren, kann ihn bei Bedarf auch typengerecht schneiden. Ob Apfelbaum, Kletterrose oder Hibiskus: So individuell wie die Wuchsformen präsentieren sich auch die «Schnittmuster». Vielmal sitzt die Säge viel zu locker. Eifrig werden Baumkronen coiffiert, armdicke Äste radikal eingekürzt oder kurzerhand gleich ganz entfernt. Resultat sind nicht selten verstümmelte Bäume und Sträucher, die für mein Empfinden ein trauriges Bild abgeben. Je stärker übrigens der Rückschnitt, desto ausgeprägter fällt der neue Zuwuchs aus. Darum macht es in vielen Fällen Sinn, über die Jahre sanft, aber kontinuierlich einzugreifen, statt die Radikalkur zu wählen.

 

Kürzlich kehrte ich in eine Gartenanlage zurück, die wir vor fünf Jahren bepflanzt hatten. Im Rasen steht eine Gruppe stattlicher Philadelphus, im Volksmund «Zimmetrösli» genannt. Enttäuscht teilte mir die Kundschaft mit, die Sträucher, von deren zartweisser Blust ich doch bei der Pflanzung so geschwärmt habe, hätten noch kein einziges Mal geblüht! Ein Blick genügte. Da war die Schere eindeutig zu emsig am Werk gewesen. Denn der Philadelphus blüht an kurzen Trieben am vorjährigen Holz. Kürzt man dieses laufend ein, erstickt man die Blüten sozusagen im Keime.

Es darf nicht darum gehen, den Bäumen und Sträuchern im Garten «den Meister» zu zeigen, sondern loszulassen und ihnen Raum zu geben, sich entsprechend ihrem natürlichen Habitus zu entfalten. Dies bedingt wiederum, sich bereits vor der Pflanzung zu überlegen, ob für den gewünschten Baum oder Strauch auch in einigen Jahren noch genügend Platz vorhanden sein wird. Keinesfalls sollen meine Ausführungen nun aber jemanden davon abhalten, in seinem Garten einen neuen Baum zu setzen. Auch für begrenzte Platzverhältnisse gibt es immer eine passende Lösung.

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Power-Nap für die Seele

12. Dezember 2013

Die Blumenrabatte vor meinem Bürofenster ist verschwunden. Wo im Sommer Taglilien, Knöterich und Gräser dominierten, bestimmen nun immergrüne Buchsfiguren das Bild. Wir haben sie erst im letzten Jahr gepflanzt. Doch sie haben sich prächtig entwickelt, und ich kann mir gut vorstellen, dass sie schon bald einen mystisch-melancholischen Charakter in unseren Garten zaubern. Versteckt hinter den Blütenstauden, hatte ich die Existenz der Buchsbäume schon fast vergessen und freue mich nun umso mehr über die starke Präsenz, die sie in der winterlich-kahlen Umgebung markieren. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass jeder Rabatte – und natürlich auch jedem Garten – ein wirkungsvolles Grundgerüst zugrunde liegt. Im Winter, wenn die Blätter gefallen und die Stauden eingezogen sind, treten fehlende Strukturen schonungslos zu Tage und zugleich liegt das Gestaltungspotenzial, das in einem Garten schlummert, offen da.

131212 Gartenplanung

Die ideale Zeit also, am warmen Ofen sitzend, über den Traumgarten zu philosophieren, Ideen zu sammeln, Referenzfotos zu suchen und Pläne zu schmieden. Denn ein Garten, in dem man sich wohlfühlt, will geplant sein. Klar, irgendwann spriessen überall ein paar Pflanzen, und einige Quadratmeter Schrittplatten sind schnell verlegt. Für mich muss ein Garten aber deutlich mehr sein als die zufällig entstehende Umgebung eines Hauses. Nur schon die stetig steigenden Bodenpreise zeigen doch, dass er mehr Aufmerksamkeit verdient und in seiner Bedeutung dem Gebäude gleichzusetzen ist. Ist es nicht selbstverständlich, dass der Garten, wie auch das Haus, bewusst gestaltet wird? Dafür spricht auch, dass eine Liegenschaft durch das Anlegen eines Gartens in ihrem Wert steigt. Durch das Schaffen verschiedener Räume, das Inszenieren von Durchblicken und das Anlegen von Wegen entsteht ein neuer Ort des Genusses, ideal zum Innehalten und sich zwischendurch einen Power-Nap für die Seele zu gönnen.

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Zu viel des Lichts?

5. Dezember 2013

In den vorweihnächtlichen Gärten ist gerade einiges los: Bunte Rentierschlitten haben in den Blumenrabatten geparkt, illuminierte Plastik-Samichläuse klettern mehr oder weniger elegant an Dachrinnen hoch, blinkende Sterne lenken die Blicke auf sich. Tausende von Bäumen und Sträuchern sind in Lichterketten gehüllt. Für mich sind solche Inszenierungen schnell einmal «zu viel des Lichts», auch wenn das Bedürfnis nach mehr Helligkeit angesichts der kurzen Tage natürlich durchaus nachvollziehbar ist. Waren es einst Kerzen, Fackeln und Laternen, hat heute die elektrische Beleuchtung Regie übernommen. Jahr für Jahr leuchten Gebäude und Gärten heller und bunter, beeinflusst durch die amerikanische Tradition der «Weihnachtshäuser», deren Umgebung üppig dekoriert ist.

Gartenbeleuchtung

Seinen Garten zu beleuchten, ist grundsätzlich eine schöne Sache, wenn dies mit der nötigen Aufmerksamkeit für den Gesamteindruck geschieht. Gezielt platzierte Leuchten bringen ganzjährig Licht ins Dunkel. Sie sorgen dafür, dass der Aussenraum auch nach Sonnenuntergang wahrnehmbar bleibt und der Blick aus dem Wohnzimmer nicht an der dunklen Fensterscheibe endet. Von unten her angeleuchtet, kommen Grashorste, Blütenstauden und einzelne Baumgestalten wunderbar zur Geltung. Wie bei der Weihnachtsbeleuchtung liegt auch hier der Trick darin, das richtige Mass zu finden und sich von einem Übermass an Licht nicht verführen zu lassen, ganz nach dem Motto «weniger ist mehr» – auch zur Weihnachtszeit!

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Gartengestalter in der Verantwortung

12. November 2013

Luzein

Verstreut über das Dorf Luzein steht eine Handvoll gut erhaltener, historischer Aristokratenhäuser, die dem prättigauer Ort seinen ureigenen Charakter verleihen. Ihre Geschichte geht zurück bis ins 17. Jahrhundert. Eines davon ist das stattliche und stilvoll renovierte Steinhaus, vor dem ich gerade stehe und beeindruckt an der Fassade emporschaue. 1655/58 für Johann Sprecher von Bernegg erbaut, ist es ein faszinierender Zeitzeuge einer lange vergangenen Epoche.

Den Hang vor dem Haus terrassieren Trockenmauern. Während die oberste Abstützung soeben frisch saniert wurde, weisen die unteren Etagen Zeichen der Verwitterung auf. Auf der darunterliegenden Wiese lassen die Obstbäume ihre farbigen Blätter allmählich zu Boden fallen. «Ein magischer Ort» denke ich und wende mich der obersten Terrasse zu. Architekten hatten uns angefragt, eine Offerte für einen Sitzplatz aus Betonverbundsteinen zu erstellen.

Wir liessen den Gartenraum auf uns wirken und kamen zum Schluss, dass wir es nicht mit uns vereinbaren konnten, hier einen Belag aus gewöhnlichen Betonsteinen zu offerieren. Die historische Substanz verlangte einen sensibleren Umgang mit der Situation. Natürlich sollen solche über die Jahrhunderte gewachsenen Orte sich entsprechend den veränderten Bedürfnissen der heutigen Zeit verändern und weiterentwickeln dürfen. Dies muss jedoch sehr behutsam und mit Respekt vor dem Vergangenen geschehen.

Zurück in Chur suchten wir das Gespräch mit den Architekten und legte ihnen dar, dass der Garten, genauso wie das historische Herrschaftshaus, ein wertvoller Teil der Prättigauer Kulturgeschichte ist. Sie zeigten sich offen für unsere Ideen und vermittelten den direkten Kontakt zur Bauherrschaft.

Schnell war im Gespräch der gemeinsame Nenner gefunden. Statt dem vorgesehenen Betonverbundsteinplatz entstand ein barock inspirierter Ziergarten mit Rundkiesbelag und einer Intarsie aus «Katzenkopfpflaster», bestehend aus nebeneinandergelegten Flusssteinen. Buchseingefasste Blumenbeete Rahmen den Sitzplatz ein, zwei Birnbäume mit schirmförmig gezogener Krone spenden lichten Schatten.

Die Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, als Gartengestalter die Werte und das Wesen eines Ortes zu erkennen und zu interpretieren. Wir stehen in der Verantwortung, das Gartenerbe unserer Region sanft weiterzuentwickeln, damit es auch in Zukunft Bestand hat. Dabei gilt es, sich treu zu bleiben und seine Ideale zu wahren.

Das Gartenprojekt in Luzein war mit dem Anlegen des Ziergartens übrigens nicht zu Ende. Inzwischen wurden sämtliche Natursteinmauern saniert, zuunterst entstanden eine Bocciabahn sowie eine Obstwiese. In der mittleren Etage folgte ein Gemüsegarten, so dass der Hang heute wieder als stimmiges Gartenensemble gelesen wird.

 

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