Hinter den Gartenzäunen wird geschnitten, geschnipselt und gesägt was das Zeug hält. Baumschere und Säge haben während der Winterzeit, wenn Sträucher und Bäume ruhen, ihren Grosseinsatz. Im blattlosen Zustand offenbaren die Baumgestalten ihr Innerstes und zeigen deutlich, dass jeder Pflanze ihr ureigener «Bauplan» zu Grunde liegt. Während die Linde von Natur aus eine ovale bis runde Krone bildet, zeigt sich die Birke schmal aufrecht und mit hängenden Zweigen. Erst wer sich die Zeit nimmt, einen Baum oder Strauch mit seinem charakteristischen Wuchs genau zu studieren, kann ihn bei Bedarf auch typengerecht schneiden. Ob Apfelbaum, Kletterrose oder Hibiskus: So individuell wie die Wuchsformen präsentieren sich auch die «Schnittmuster». Vielmal sitzt die Säge viel zu locker. Eifrig werden Baumkronen coiffiert, armdicke Äste radikal eingekürzt oder kurzerhand gleich ganz entfernt. Resultat sind nicht selten verstümmelte Bäume und Sträucher, die für mein Empfinden ein trauriges Bild abgeben. Je stärker übrigens der Rückschnitt, desto ausgeprägter fällt der neue Zuwuchs aus. Darum macht es in vielen Fällen Sinn, über die Jahre sanft, aber kontinuierlich einzugreifen, statt die Radikalkur zu wählen.

 

Kürzlich kehrte ich in eine Gartenanlage zurück, die wir vor fünf Jahren bepflanzt hatten. Im Rasen steht eine Gruppe stattlicher Philadelphus, im Volksmund «Zimmetrösli» genannt. Enttäuscht teilte mir die Kundschaft mit, die Sträucher, von deren zartweisser Blust ich doch bei der Pflanzung so geschwärmt habe, hätten noch kein einziges Mal geblüht! Ein Blick genügte. Da war die Schere eindeutig zu emsig am Werk gewesen. Denn der Philadelphus blüht an kurzen Trieben am vorjährigen Holz. Kürzt man dieses laufend ein, erstickt man die Blüten sozusagen im Keime.

Es darf nicht darum gehen, den Bäumen und Sträuchern im Garten «den Meister» zu zeigen, sondern loszulassen und ihnen Raum zu geben, sich entsprechend ihrem natürlichen Habitus zu entfalten. Dies bedingt wiederum, sich bereits vor der Pflanzung zu überlegen, ob für den gewünschten Baum oder Strauch auch in einigen Jahren noch genügend Platz vorhanden sein wird. Keinesfalls sollen meine Ausführungen nun aber jemanden davon abhalten, in seinem Garten einen neuen Baum zu setzen. Auch für begrenzte Platzverhältnisse gibt es immer eine passende Lösung.

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